Aus der Serie FREIE SCHULEN: Die Holly Go Lightly Montessorischule.

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Die Holly Go Lightly-Privatschule ist eine inklusive, private Montessorischule. Gegründet wurde sie von der gebürtigen Schwedin und zweifachen Mutter, Petra Martensson. Petra ist seit vielen Jahren Wahlwienerin und diplomierte Volksschullehrerin (PädAk), sowie diplomierte Montessori-Pädagogin (ÖMG). Sie hat folgende Aus- und Fortbildungen abgeschlossen: Sensorische Integration im Dialog nach Ulla Kiesling, Lernen mit Trisomie 21, Yes we can, LOVT-Trainerin, Lehrgang Legasthenie und Teilleistungen, Legasthenie nach Karin Korff, Inklusiver Unterricht nach Manske, mehrere M+ Lehrgänge und sie ist weiters ausgebildete Schwimmlehrerin.

Das Interview mit Petra Martensson führte Victoria Schaffer für Wundermoms.

Du führst seit fast 10 Jahren Deine eigene Privatschule. Zunächst als Lerninitiative, letztes Jahr bereits als Privatschule “Holly Go Lightly” und mit 2022 voraussichtlich staatlich anerkannt durch das Öffentlichkeitsrecht.

Diesen Stein hat meine Freundin Sonja Reichenberger ins Rollen gebracht. 2009 gab es die ersten Gespräche mit ihr. Holly, ihre damals 7-jährige Tochter, hatte keine Lernfortschritte in der Schule gemacht. 

Die Idee war eigentlich, dass wir für Holly eine passende Schule finden, aber das Lernen mit ihr hat dann so gut funktioniert, dass wir den Gedanken umgedreht haben, da es vielleicht auch andere Kinder gibt, die einen individuellen Bildungsweg und Förderung brauchen und wünschen. So entstand eine kleine Lerngruppe, die dann stetig gewachsen ist.  


Ein Zitat von Richard David Precht stand auf Deinem Infosheet. Es lautete ungefähr so: “Lassen Sie uns ein Gedankenexperiment machen: Stellen Sie sich vor, es gibt keine Schule und wir könnten vom Nullpunkt aus beginnen.”

Mein Eindruck ist, dass du die richtigen Prioritäten gesetzt hast. Nicht nur, um Wissen zu übermitteln, sondern auch, um Selbstbewusstsein, Kreativität, Lösungsorientiertheit und soziale Kompetenz zu fördern. Könntest Du uns in ein paar Sätzen Dein Konzept beschreiben?

Unser Gedanke ist ähnlich jenem, den Richard David Precht beschreibt. Ich komme aus Schweden und habe in vielen Dingen starken Kontrast im österreichischen Bildungswesen vorgefunden und erlebt. Speziell im Schulsysten gibt es große Unterschiede.

Mein Konzept ist ein wenig wie ein IKEA System aufgebaut. Es braucht ein gutes Fundament und das ist bei uns die Montessori Pädagogik. 

Ich finde es ausserdem fein, wenn die Klassen kleiner sind, als das an öffentlichen Schulen möglich sein kann und wenn die Atmosphäre familiärer ist. Wir brauchen beispielsweise keine Schulglocke um die Kinder daran zu erinnern, dass Unterrichtszeit ist, wir setzen auf ein motiviertes, kompetentes Team und auf die Freude der Kinder am Lernen und Entdecken.

Und natürlich braucht es Respekt, Verantwortung und Inklusion. Ich bin überzeugt davon, dass, wenn jede Schule, jede Klasse und vielleicht sogar jede Firma eine Person mit Behinderung aufnehmen würde, hätten wir eine offenere, tolerantere und emphatischere Gesellschaft. 

Ich möchte dass die Kinder begeistert und engagiert lernen können. Deshalb ist ein weiteres wichtiges Element in unserem Leitbild Grit.

Grit ist ein von der amerikanischen Psychologin, Angela Duckworth, definiertes Konstrukt, das soviel wie Charakterstärke, Mut oder Stehvermögen bedeutet, also das hartnäckige und langfristige Verfolgen von Zielen. (Stangl, 2021)
Grit
ist somit die Passion eines Individuums in Bezug auf ein langfristiges Ziel, es ist die Kunst nicht aufzugeben. Forscher sprechen von einer Mischung aus Ausdauer,  an langfristigen Zielen festzuhalten, selbstdiszipliniert zu sein und nicht aufzugeben, obwohl man möglicherweise scheitert.
SportlerInnen und MusikerInnen kennen Grit. Sie haben ein Ziel vor Augen und steuern Schritt für Schritt darauf zu. Sie wissen von dem Weg, der vor ihnen liegt, und arbeiten zielstrebig darauf hin. Die Überzeugung eines Tages am Ziel anzukommen, treibt sie mit positiver Kraft weiter.
Die Kraft von Grit finden wir natürlich nicht nur im Sport oder in der Musik, sondern auch in allen anderen Fächern. Daran arbeiten wir. 


Man bekommt in unserer Gesellschaft immer noch den Eindruck, dass den Bereichen Mathematik und Deutsch weit mehr Wichtigkeit verliehen wird, als zB. Kunst und Turnen. Gibt es Deines Erachtens nach eine sinnvolle Hierachrchie der Fächer?

Ich habe keine Hierarchie. Ich finde Deutsch und Mathe auf alle Fälle wichtig. Das war im Lockdown sehr spürbar, der Fokus lag auf den Kulturfächern. Sport und Kreativität aber sind genau so wichtig. Ich würde sagen, das eine bedingt das andere.


Sir Ken Robinosn, einer der bekanntesten und 2020 verstorbene Bildungsexperte, unterscheidet nicht zwischen öffentlichen und privaten Schulen, sondern zwischen guten und schlechten Schulen. Wie groß ist Dein eigener Gestaltungsspielraum? Ist der während der Pandemie größer, oder kleiner geworden? Oder in etwa gleich geblieben?

Fernab der Pandemie: Wir müssen uns trotz allem an Vorgaben der Bildungsdirektion halten. In der Pandemie waren wir sehr eingeschränkt. Natürlich hat man mehr Spielraum wenn man eine kleine Schule führt. Wir können den ja selbst mitgestalten. 

Die Holly Go Lightly Privatschule ist klein, das bringt Vorteile, denn wir können sehr wendig sein. Wichtig für mich ist, dass es stimmig ist und ich mag Konzepte, die Hand und Fuss haben. Ich bin nicht mehr offen für Experimente bei grundlegenden Sachen. 

Du darfst Deine Schüler nun ab diesem Jahr bis zum Ende der Primaria zwei (Alter 12 Jahre) unterrichten. Deine Tochter hat nach ihrem Abschuss an Deiner Schule an einem öffentlichen Gymnasium beginnen. Wie geht es am besten für Deine Schüler weiter?

Zu einem Schulwechsel kommt es oft nach der 4. Klasse, also ungefähr im Alter von 10 Jahren. 

Wie es danach weiter geht, hängt von den Begabungen und Interessen der Kinder, sowie von den Gewichtungen der Eltern ab. Und natürlich auch vom österreichischen Schulsystem und dessen Angebot.


Man hat den Eindruck, Deine Schule verlangt sehr viel Zeit und Energie von Dir. Ist das der ausschlaggebende Punkt, warum nicht mehr private Freie Schulen gegründet werden, oder eine noch fehlende Einsicht zur Grundlage unserer Gesellschaft?

Natürlich nimmt es viel Zeit in Anspruch, aber es gibt auch Kraft. Grundsätzlich ist ja der Verein der Träger, das heißt, ich bin nicht alleine. Es bräuchte allerdings mehr verfügbares Geld, dann wäre vieles einfacher. Dann würden bestimmt mehr unterschiedliche Initiativen entstehen. Dann wäre wirklich alles eine Spur leichter.

Hast Du einen Wunsch an Eltern? Allgemein und im Konkreten?

Ich möchte vor allem auch eine gute Basis mit unseren Eltern haben. Alle Eltern haben zum Beispiel meine Telefonnummer. Wir haben eine sehr nette Truppe, hilfsbereit, engagiert und wir arbeiten gemeinsam für die Kinder. Auf jeden Fall bin sehr dankbar dass wir mutige Eltern haben!


Ein Wunsch an Eltern allgemein wäre jedoch, Grenzen zu setzen und sich trauen auch mal ‚Nein!‘ zu sagen. Nicht immer der Überzeugung zu sein, dass man alles intellektuell mit dem Kind diskutieren muss. Vor allem, wenn es um wichtige Dinge geht, macht es vieles leichter. Das braucht Nerven und Überzeugung. Ich beobachte ganz oft, dass Eltern sich nicht trauen. Gewisse Dinge sind beschlossen, die sind fix. Kinder kommen besser damit zurecht, wenn sie das wissen und spüren. Gerade in der Reformpädagogik ist es schwer, weil man nicht autoritär wirken will. Aber Grenzen an den richtigen Stellen setzen, hilft den Kindern schon immens. Es nimmt ihnen ein kleines Gewicht von den Schultern, da sie sonst zu viel Verantwortung zu tragen hätten.

Vielen Dank, dass Du Dir für unsere Fragen Zeit genommen hast!

Weiterführende Infos zur Holly Go Lightly Privatschule.

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